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  • AutorenbildLeonie

Nippel, Brüste, Scheide, Penis, Hoden, Körperbehaarung


Es ist der Infoabend für zukünftige Gymnasiast*innen am Gymnasium Muttenz. Ich als Schülerin mit dem Schwerpunkt Zeichnen bin vor Ort und beantworte Fragen der Sekundarschüler*innen. Wenn ich nicht am Fragen beantworten bin, zeichne ich an einem Kunstprojekt. Es ist eine Zeichnung von einfachgehaltenen Menschlein, die keine Haare auf dem Kopf haben und nur aus den Umrisslinien bestehen. Sie haben Nippel, Brüste, eine Scheide, einen Penis und Hoden, oder Achselbehaarung. Die Kombination der Geschlechtsorgane ist zufällig. Spannender sind aber die Reaktionen der Menschen, die am Infoabend erschienen sind. Freundliche Gesichter mit Blick auf mein Werk. Verwirrte Gesichtsausdrücke, scheue oder angewiderte aber auch interessierte und neugierige Blicke begegnen mir. Obwohl die Figuren sehr unrealistische Proportionen haben, scheinen diese etwas auszulösen in den Betrachter*innen.


Nacktheit scheint noch immer ein grosses Tabuthema zu sein auch in der Kunst. Ob gezeichnet, gemalt, als Fotografie oder in Form von Statuen in der Kunst ist Nacktheit ein sehr präsentes Thema. Trotz der weiten Verbreitung von Nacktheit in der Kunst bleibt es ein Tabuthema. Die Kunst ist aber eine gute Möglichkeit, ein Thema, wie die Nacktheit zu normalisieren. Sie gibt dem Menschen die Möglichkeit sich an ein Thema heranzutasten, das in der Gesellschaft als Tabu gilt. Dass es diese Möglichkeit gibt, macht den Menschen neugierig und bereit über den eigenen Schatten zu springen.

Für ein/e Künstler*in benötigt das Gestalten von nackten Menschen nicht wirklich Überwindung. Es ist schliesslich Kunst und in der Kunst ist so gut wie alles erlaubt. Oftmals ist es der/die Betrachter*in, welche/r Überwindung benötigt. Das liegt am Schamgefühl, es liegt daran, dass sich der/die Betrachter*in entblösst fühlt. Das Bild, dass du betrachtest, zeigt das, was andere Menschen meistens nicht sehen können. Du kannst dich nicht hinter deiner Kleidung verstecken. Du bist so, wie dich die Natur geschaffen hat. Es macht dich verletzlich. Obwohl du nur ein Kunstwerk von einem/einer Künstler*in betrachtest.

In anderen Bereichen der Kunst, zum Beispiel die Fotografie benötigt das Darstellen von Nacktheit bedeutend mehr Überwindung. Dies liegt daran, dass in der Fotografie der nackte Mensch so dargestellt wird, wie der Mensch ihn zu Gesicht bekommt. Je nach dem keine Verschönerungen und ungefiltert. Ausserdem ermöglichen die gemalten Kunstwerke wie Skizzen eine Distanz zwischen dem nackten Menschen und dem/der Betrachter*in. Das Werk wirkt weniger realitätsnahe als Fotografien. Wenn du eine Fotografie eines nackten Menschen anschaust, ist dein Schamgefühlt noch viel stärker als beim Betrachten eines gemalten Kunstwerks. Dir ist es nicht wohl ein solches Bild zu betrachten. Du bist entblösst und kannst dich nicht verstecken.

Die Kunst ist mutig. Sie zeigt den menschlichen Körper mit all den Details. Sie zeigt, dass jeder Körper wunderschön ist. Die Kunst vermittelt, dass jeder Körper zu akzeptieren und zu lieben ist. Die Kunst hinterfragt die Idealvorstellungen eines nackten Körpers. Bis die Idealvorstellungen eines weiblichen, männlichen und aller Menschen aus den Köpfen verschwunden ist, wird es wohl noch lange dauern. Mit Hilfe der Kunst ist es aber hoffentlich möglich.

Die Kunst ist ein Vorbild für die Gesellschaft. Sie ist die Möglichkeit, die Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Sie beschäftigt sich mit Tabuthemen und sorgt für die Normalisierung solcher Themen. Die Kunst ist der einzige Ort, an dem ein nackter Körper nicht sexualisiert wird. Es wäre wichtig, dass dies in der Gesellschaft auch der Fall wird. Das geht nur, wenn die nackten Körper in der Gesellschaft nicht mehr sexualisiert werden und diese unrealistischen Idealvorstellungen verschwinden. Dazu musst du aber bereit sein, dich diesem Tabuthema zu stellen. Wenn jede Person bereit ist die eigenen Haltungen zu nackten Körpern zu hinterfragen und zu bessern, dann ist eine Veränderung in der Gesellschaft möglich. Dazu müsste sich zusätzlich noch viel mehr in der Gesellschaft ändern, was praktisch unmöglich ist. Jeder Schritt in die positive Richtung ist aber ein Gewinn auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.

 

Text: Leonie Bögli

Bild: Leonie Bögli

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